Anwender fordern von Servoantrieben eine hohe Bewegungsdynamik sowie umfangreiche Steuerungs- und Regelungsfunktionen. Bei den Torquemotoren stehen vor allem Präzision und Positioniergenauigkeit im Vordergrund. Allgegenwärtig für beide ist die Forderung nach Kompaktheit, Energieeffizienz und dynamischem Verhalten. Insgesamt gesehen werden die Kundenanforderungen immer spezifischer unabhängig von Branche, Land oder Anwendung.
Seit Jahren gehören Servo- und Torquemotoren zur Grundausrüstung von Werkzeug- und Verpackungsmaschinen sowie von Robotern. Doch inzwischen werden die Kundenanforderungen immer spezifischer und individueller, sodass mit standardisierten Motorreihen vor allem in Europa kaum noch neue Großkunden gewonnen werden können. „Die aktuellen Marktanforderungen in der Servotechnik stellen uns Hersteller vor vielfältige Herausforderungen. Zunehmend benötigen die Kunden kompakte Antriebe mit hohen Beschleunigungsmomenten“, betont Helmut Pirthauer, Geschäftsführer von Heidrive. „Wir sehen, dass weltweit der Bedarf an dynamischen und äußerst individuellen Antriebslösungen steigt. Oftmals ist es schwer, mit einem Standardprodukt den verschiedensten Kundenwünschen zu entsprechen und erst recht die unterschiedlichen technologischen Anforderungen der Märkte Asien, Europa und USA gleichzeitig zu bedienen.“ Deshalb entwickelte Heidrive ein ausgefeiltes Baukastensystem mit dem sich rund 70 Millionen unterschiedliche Antriebe aus den Baukastenkomponenten konfigurieren lassen. „Dies ist unsere Basis, jedem Kunden, auch international, die gewünschte Lösungen für seine Applikation zu liefern“, so Pirthauer weiter.
Auch andere Hersteller versuchen, mit einem umfassenden Baukastensystem dem wachsenden Bedarf an kundenspezifischen Lösungen gerecht zu werden. So bietet beispielsweise Dunkermotoren ein breites Portfolio an bürstenlosen Gleichstrom-(BLDC)-Synchronmotoren an. Diese Antriebe mit hohem Wirkungsgrad, besonders hoher Dynamik und Überlastfähigkeit sind aufgrund ihrer hochintegrierten Motion Controller sowie der integrierten Sensorik sehr kompakt. Das Unternehmen Harmonic Drive, ebenfalls Spezialist in der elektrischen Antriebstechnik, kombiniert bei seiner aktuellen Antriebsentwicklung BHA präzise, spielfreie Getriebe mit einer Abtriebslagerung und einem leistungsstarken Synchron-Servomotor.
Wittenstein Cyber Motor entwickelte ein neues Kleinservoantriebssystem, das erstmals auf der SPS 2019 vorgestellt werden wird und Motion-Control-Anwendungen mit hoher Dynamik und Präzision vereint. Die Antriebsregler cyber simco drive 2 sind für Maximalströme bis 30 A ausgelegt und können aufgrund ihrer adaptiven Stromauflösung Motoren bis zu diesem Wert über den gesamten Leistungsbereich mit gleichbleibend hoher Genauigkeit regeln. In der motorintegrierten Variante CDS ist das System für alle Motion-Control-Anwendungen geeignet, die anspruchsvollen Echtzeitanforderungen unterliegen und eine taktsynchrone Ethernet-Kommunikation erfordern. „Damit wird der Trend verstärkt, den Motor nicht mehr einzeln zu betrachten, sondern in ein komplettes Antriebskonzept einzubinden“, erklärt Produktmanagerin Carolin Ank und betont, dass hier in der gesamten Branche noch ein großes Optimierungspotenzial liege. Dem komme zugute, dass Intelligenz immer kostengünstiger und technisch immer einfacher einzubauen ist.
Wohin geht der Trend bei intelligenten Antrieben?
„Basis für eine umfassendere Digitalisierung der Produktion ist die konsekutive Integration von Intelligenz in mechatronische Antriebssysteme. In dieser Beziehung kommt der dezentralen Antriebstechnik eine große Bedeutung zu; darüber hinaus bietet sie die notwendige Plattform, um weitere Funktionen zu realisieren“, stellt Alois Buss, Produktmanager Servotechnik bei Harmonic Drive, heraus. Themen, die die Branche aktuell umtreiben, bezögen sich vorwiegend auf die Sicherheit der Datenübermittlung und -speicherung. Hier würde die Standardisierung des Übertragungsmediums und der Datenstruktur einiges vereinfachen. „Auch wenn manche Hersteller heute schon entsprechende Lösungsansätze bieten, müssen diese immer noch als Insellösungen angesehen werden“, resümiert Buss. Harmonic Drive bietet mit seinen Antriebssystemen verschiedene Möglichkeiten, physikalische Messgrößen aufzunehmen und an die übergeordneten Steuerungen weiterzugeben. Hier werden zukünftig weitere Sensoren folgen, die – in den Antrieb integriert – Condition Monitoring und Predictive Maintenance ermöglichen.
Der Spezialist für Servoantriebstechnik, LTI Motion, erfasst mit digitalen Sensorschnittstellen wie Hiperface-DSL im Servomotor die Lage und Drehzahl und zusätzlich über einen Sensor-Hub im Drehgeber Beschleunigung, Kraft, Drehmoment, Temperatur, etc. „Mit diesen Daten sind zeitkritische Prozesse direkt regelbar und die Messwerte können dann einer übergeordneten Steuerung in Echtzeit zur Verfügung gestellt werden“, erklärt n.n., Produktmanager bei LTI Motion. Durch eine intelligente Datenaufbereitung in der Steuerung erhält der Anwender einen genauen Überblick über den Betriebszustand seiner Maschine, was ihm Wartung und Instandhaltung erleichtert.
Dunkermotor brachte bereits vor zwanzig Jahren den ersten EC-Motor mit integrierter Regelelektronik und digitalen Eingängen auf den Markt. Seit 2005 können über Busschnittstellen Informationen über Drehzahl, Temperatur oder Strom an die übergeordnete Steuerung übermittelt werden. Tobias Pfendler, Leiter Marketing und Produktstrategie, gibt bekannt, dass es künftig auch möglich sein wird, „Daten per OPC UA oder MQTT direkt bzw. über Edge-Gateways in die Cloud zu übermitteln. Die Algorithmen für eine intelligente Diagnose der erfassten Daten sind direkt im Motor hinterlegt. Zur Unterstützung einer vorbeugenden Wartung können die Daten aller Motoren in der Cloud gespeichert und mittels KI analysiert werden.“
Danfoss bietet mit FlexMotion ein flexibles System, mit dem zentrale, dezentrale oder Mischsysteme aufgebaut werden können. Dies gibt dem Anwender die Freiheit zu entscheiden, ob die integrierte Intelligenz der Antriebe voll ausgeschöpft werden soll oder eine übergeordnete Steuerung diese Aufgaben übernimmt. „Durch die offene Steuerungsarchitektur kann der Anwender zwischen bewährten Realtime-Ethernet-Feldbussen wie Profinet, Ethercat und Powerlink wählen. Die Kommunikation zwischen allen Teilnehmern erfolgt ohne Gateways und reicht immer über den gewählten Feldbus direkt bis zu jedem einzelnen Antrieb“, erläutert Günter Schwarz, Global Product Marketing Manager bei Danfoss. Auf diese Weise kann der Anwender die für die Applikation wichtigen antriebsspezifischen Daten mit sehr geringer Latenz aus den Servoantrieben abholen und in Echtzeit weiterverarbeiten.
Wittenstein digitalisiert seine Produktwelt mit dem sensorbasierten Antriebssystem Galaxie und der Servoantriebslösung iTAS mit Webserver für fahrerlose Transportfahrzeuge sowie mit einem intelligenten Antriebssystem für Schwerlast-Abschaltschrauber. „Die Getriebe cynapse mit integriertem Sensormodul machen Industrie 4.0-Konnektivität möglich“, sagt Carolin Ank und betont, dass über IO-Link smarte Getriebe verschiedene Einflussgrößen aus dem Prozess sowie dem Einsatzumfeld identifizieren, messen und an die Maschinensteuerung übermitteln sowie mit Applikationen auf IIoT-Plattformen austauschen können. „Über integrierte, mitdenkende Logikfunktionen können die Getriebe in Eigenregie intelligente Überwachungsaufgaben ausführen, Temperaturen messen und Überhitzungen melden, Vibrationen detektieren, Betriebsstunden zählen und eigenständig eine Wartung anfordern. Die smarten Getriebe speichern und dokumentieren alle Ereignisse rund um ihren Einsatz und unterstützen damit die zustandsorientierte Instandhaltung“, so Ank weiter.
Integrierte Sicherheitsfunktionen
Das Thema Sicherheit wird mit der Mensch-Maschine-Interaktion auch für Motorhersteller wie Heidrive immer wichtiger. „Durch unsere sicher angebauten Gebersysteme erfüllen wir höchste Sicherheitsanforderungen, die wir durch Sicherheitsfunktionen direkt im Antrieb mit integrierter Elektronik noch verstärken“, erklärt Helmut Pirthauer. Stand der Technik sei inzwischen, dass fast alle Hersteller ihre Motoren mit den entsprechenden Sicherheitsfunktionen wie Safe Torque Off (STO) und Safe Brake Control (SBC) ausrüsten. Dies gewährleistet im Risikofall ein sicher abgeschaltetes Drehmoment und verhindert auch ein unbeabsichtigtes Wiederanfahren der Maschine. Bei FlexMotion von Danfoss geschieht dies serienmäßig. Aktiviert wird diese Funktion aber nur bei jenen Maschinenteilen, in denen auch wirklich ein Sicherheitsrisiko vorherrscht. Wenn es produktionstechnisch sinnvoll erscheint, können andere Teile der Maschine weiter betrieben werden. Ein nächster Schritt ist die Implementierung der Sicherheitsfunktionen in die Kommunikation zwischen Steuerung und Antrieb, um das Triggern der Sicherheitsfunktionen noch effektiver zu gestalten.
Immer häufiger werden Sicherheitslösungen auch direkt in den Antrieb integriert. LTI Motion verfolgtn hier ein ganzheitliches Konzept über sicher eingebaute Encoder und sicheren Bremsentest. „In Verbindung mit unseren Einachs- und Mehrachsantriebsreglern lassen sich alle derzeit gängigen Sicherheitskonzepte realisieren“, so xx. „Unsere Safe-Motion-Architektur bietet eine zentrale SIL3-zertifizierte Sicherheitssteuerung. Direkt im Servoregler integriert, können bis zu zwölf Achsen überwacht werden.“ Bei Dunkermotor sind die externen Motorregler mit STO-Funktion erhältlich. Bis Ende des Jahres will das Unternehmen alle smarten EC-Motoren in dPro-Ausführung standardmäßig mit integrierter Safe-Torque-Off-Funktionalität ausstatten. Zusätzlich dazu wird mit Simatic Micro-Drive das neue Servoantriebssystem mit der Funktion Safety Limited Torque (SLT) für ein sicher begrenztes Drehmoment ausgestattet und auf die BG45 bis BG95 abgestimmt.
Sicherheit entsteht bei Antrieben auch durch eine industriegerechte Ausführung. Bei Wittenstein sind die Motoren des Kleinantriebssystems im Edelstahlgehäuse und die Reglermodule sowie die motorintegrierte Variante CDS in Schutzarten bis IP65 verfügbar und eignen sich so auch für rauere Einsatzbedingungen. Darüber hinaus erfüllt aus Sicht der Maschinensicherheit die integrierte Safety Funktion STO bei allen Reglervarianten der cyber simco drive 2 sowie des CDS die Sicherheitsanforderungen gemäß SIL3 und PL e. Alois Buss ergänzt, dass die Sicherheitsteilfunktionen oft von elektrischen Leistungsantriebssystemen mit einstellbarer Drehzahl zur Verfügung gestellt werden. Deshalb muss der elektrische Antrieb selbst den Anforderungen der Steuerung zum Erreichen des Sicherheits-Integritätslevels genügen. Vor allem das Motorfeedbacksystem und die mechanische Verbindung zur Motorwelle sind hier gefragt. Deshalb vertraut Harmonic Drive auf zertifizierte Motorfeedbacksysteme und einen fach- und normgerechten mechanischen Anbau.
Industrie 4.0 digitalisiert die Fertigung von Motoren
Künftig müssen in der Fertigung von Motoren Produktions- und Prüfdaten einheitlich, zentral und zugänglich gespeichert werden. Dies ist die Grundlage, um Kunden einen Mehrwert vom digitalen Antriebstypenschild bis hin zum umfassenden digitalen Zwilling zu bieten. In einem elektronischen Typenschild kann man alle relevanten technischen Daten des Servomotors ablegen und jederzeit abrufen. Auch stückspezifische Daten des Servomotors lassen sich abspeichern und für intelligente Regelalgorithmen nutzen. Tobias Pfendler von Dunker resümiert: „Wenn wir diese Informationen auswerten, können wir Motoren für den gewünschten Anwendungsfall noch besser an die Bedürfnisse des einzelnen Kunden in Bezug auf Kosten, Energieeffizienz und Lebensdauer anpassen.“ Gleichzeitig erhältman Prognosen über den Zustand der Motoren, womit sich sowohl ungeplante Stillstände vermeiden als auch neue Geschäftsmodelle wie Pay per Use realisieren lassen.